Aus der forschung in die anwendung
eRFOLGSGESCHICHTEN AUS DEM SYSTEMS AND CONTROL INNOVATION LAB
Innovative Kooperationsprojekte mit der Industrie gehören zu den Kernaufgaben des Systems and Control Innovation Lab. Das Spektrum der Forschungsthemen reicht von der Luft- und Raumfahrt über die Industrierobotik bis hin zur Energieversorgung.
Der gemeinsam mit dem DLR entwickelte digitale Zwilling unserer Messrobotik ermöglicht die schnelle Programmierung und das sichere Testen von Prüfabläufen. Durch die Schnittstellenmodellierung von Roboter und Kraftsensor können die Abläufe anschließend ohne Änderungen auf dem realen Prüfstand ausgeführt werden – ein deutlicher Zeitvorteil gegenüber der manuellen Einrichtung.
Dr. Jan Thiede
Battenberg ROBOTIC
Digitaler Zwilling der Messrobotik
Die Messroboter von Battenberg Robotic werden unter anderem in der Automobilproduktion eingesetzt, um haptische Qualitätsmerkmale von Interieur-Komponenten (z.B. Klimabediengeräte oder Touchpanel) zu prüfen. Dabei misst ein Roboterarm per Kraft-Momenten-Sensor gleichzeitig Weg, Kraft und Winkel, um die Qualität der Bauteile objektiv zu bewerten.
Gemeinsam mit dem SCIL-Team entwickelte das Unternehmen einen digitalen Zwilling des Messroboters, mit dem der gesamte Messablauf inklusive Roboterzelle und Abruf der Messergebnisse virtuell programmiert, simuliert und angepasst werden kann.
Die Programmierung der Prüfabläufe war für das Unternehmen immer mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, da sie vor Ort am realen Prüfstand durchgeführt werden musste. Oft war die Ausführung eines neu programmierten Ablaufs mit Risiken verbunden: Gibt es unerwünschte Kollisionen mit dem zu prüfenden Bauteil oder der Umgebung? Bewegt sich der Roboter nahe an einer singulären Gelenkstellung?
Mit Hilfe des digitalen Zwillings, der auch simulierte Kraft- und Lasersensoren inklusive Netzwerkschnittstellen enthält, konnte das Unternehmen diese Risiken erfolgreich ausschließen. Prüf- und Montageabläufe können virtuell so präzise simuliert werden, dass die virtuelle Programmierung direkt auf die realen Roboter übertragen werden kann. Die real gemessenen Werte können wieder in den digitalen Zwilling zurückgespielt werden.
Alle Prüfabläufe können ortsunabhängig programmiert werden. Diverse geometrische Tools beschleunigen die Programmierung drastisch, so dass schnell ein zeitoptimaler und kollisionsfreier Ablauf erreicht wird. Schließlich kann der in der virtuellen Messrobotik programmierte Ablauf direkt am realen Prüfstand ausgeführt werden – standortunabhängig und weltweit.
Projektumfang Virtuelle Messrobotik
- Modellierung von mehreren Industrierobotern in Modelica (Kinematik, Kollisionserkennung, vereinfachte Dynamikmodelle)
- Entwicklung und Implementierung eines Mitsubishi Robotersteuerungsemulators (kann Mitsubishi Roboterprogramme verarbeiten und so die gleichen Bahnen in die Simulation bringen)
- Aufbau von Bahnplanungsalgorithmen zur Steuerung der Roboter
- Implementierung von Kontaktkräften, um den Messvorgang nachzubilden
- Simulation von virtuellen Sensordaten: virtueller Kraft-/Momentensensor, Laserdistanzmessung, Tiefenbild
- Echtzeitvisualisierung der virtuellen Messzelle
Trainingssimulator für Bohranlagen
Um das Personal von Offshore-Bohranlagen unter realen Bedingungen zu trainieren, hat das SCIL-Team gemeinsam mit DrillTec – einem Unternehmen der STREICHER Gruppe – einen Trainingssimulator entwickelt. Jeder Motor, jeder Sensor und jedes Antriebselement ist im Simulator abgebildet. Die originale Anlagensteuerung ist an die Simulation gekoppelt, somit können neue Steueralgorithmen vorab an Land getestet werden. Auf der rechten Seite sitzt der Bohrgeräteführer (Driller), der das Bohrgestänge bedient, und links der sogenannte Assistant-Driller, der neue Stangen aus dem Magazin nachliefert, sodass das Bohrgestänge zusammengebaut werden kann. Die Fenster der Anlage, die normalerweise den Blick auf das Bohrgestänge und das Magazin freigeben, sind in diesem Simulator durch Flachbildschirme ersetzt worden.
Mit Hilfe der DLR Visualization Library wird eine Echtzeit 3D-Visualisierung der Anlage erzeugt und auf den Sichtwinkel des Bedienpersonals gerechnet. Für die Simulator-Nutzer entsteht so eine virtuelle Trainingsumgebung mit der gleichen Sicht auf die Anlage wie in der Realität. Der Trainingssimulator ist in einem leicht zu transportierenden Container untergebracht und bietet genügend Platz für Trainer und weitere Teilnehmer.
Projektumfang Trainingssimulator
- Alle bewegten Komponenten der Anlage wurden modelliert (Kinematik)
- Alle für den Betrieb relevanten Aktoren und Sensoren wurden abgebildet
- Ein Interface zur Anlagen SPS wurde aufgebaut (der Simulator wird von der Original Anlagen SPS und Software gesteuert)
- Echtzeitvisualisierung stellt die Außenwelt dar
- Integration im Simulationscontainer (1:1 Kopie des originalen Bedienumfelds mit Bildschirmen anstelle von Fenstern)
- Ermöglicht OnShore-Training des Bedienpersonals
Dank der Kooperation mit dem DLR konnten wir im Bereich Simulation und Digitaler Zwilling schnell und effektiv Know-how aufbauen. Die Nutzung von virtuellen Prototypen hat zu enormen Zeit- und Kosteneinsparungen im Entwicklungsprozess geführt
Rupert Köckeis
STREICHER Gruppe
Auslegung des Baukunstwerks "Drehmoment"
Den Vorplatz des Futuriums in Berlin ziert das „Drehmoment“. Bevor das Stahlkunstwerk mit dem rotierenden „Teller“ realisiert wurde, prüften Ingenieure der Firma STREICHER und Forschende vom SCIL am virtuellen Modell, ob die Konstruktion alle Anforderungen an Sicherheit, Lebensdauer und Zuverlässigkeit erfüllt.
Ein im Boden eingelassener Elektroantrieb versetzt den 15 Meter hohen Mast in eine vertikale Drehbewegung. Der Ring wiegt rund 170 Kilogramm und richtet sich ausschließlich durch Kreisel- und Zentrifugalmomente auf. Alle mechanischen Eigenschaften wie Massen, Trägheit, Längen, Reibungen, Federn, Dämpfer, aerodynamische Kräfte und Antriebe wurden modelliert und die Simulation zeigte, dass das System realisierbar ist. Zudem wurden die mechanischen Bauteile, wie die die durch Fliehkraft automatisch einfahrende Arretierung, dynamisch ausgelegt. Das Kunstwerk „Drehmoment“ wurde von der Berliner Künstlergruppe realities:united entworfen.
Fliehkrafttest zur Sicherheit
Für ein Fahrgeschäft haben die Forschenden vom Systems and Control Innovation Lab (SCIL) die Kräfte simuliert, die während einer Karussellfahrt auftreten. Bei Überschlägen wird das System mehr und mehr angeregt und beginnt zu schwingen. Die Simulation zeigte, dass diese Belastung abnimmt, wenn die Sitze näher an der Rotationsachse montiert werden. Das spart außerdem Material.
Zusätzlich unterstützten die Wissenschaftler den Hersteller dabei, eine Software zu entwickeln, die durch eine Messfahrt den Beladungszustand des Fahrgeschäfts ermittelt und die Bewegungsbahn so anpasst, dass sie sich nicht verändert, egal wie viele Personen in der Gondel sitzen.